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Wie Gisela ihr Leben mit wenig Geld meistert

Gisela ist Rentnerin mit einer geringen Altersrente. Trotzdem sagt sie über sich „Ich fühle mich nicht arm, ich habe doch alles was ich brauche“. Aber auch sie kommt finanziell oft an ihre Grenzen. „Am Ende des Monats gibt es dann nur noch Brot mit Marmelade oder Schmalzbrot“, sagt Gisela mit einem Lächeln auf den Lippen.


Aber wie kam es dazu, dass Gisela wenig Rente bekommt? Sie hat beständig gearbeitet und gutes Geld verdient.

Gisela ist mit ihrer Mutter und drei Geschwistern aufgewachsen. Ihre Ausbildung machte sie im Verwaltungsbereich einer Werft und übte ihren Beruf später bei einer Krankenkasse aus. Mit 21 Jahren hat Gisela geheiratet. Sie wollte weg von zu Hause. Eine Wohnung zu bekommen ohne Heirat war damals nicht möglich. Mit 27 Jahren wurde Gisela schwanger und bekam einen Sohn.

Für ihre kleine Familie wollte das Ehepaar ein Haus bauen und kaufte ein Grundstück. Für die Finanzierung des Grundstücks ließ Gisela sich den bisher erworbenen Rentenanteil auszahlen. Das ging damals noch. Als ihr Sohn 5 Jahre alt war, kam die Scheidung. Das geplante Haus wurde nie gebaut. Das Grundstück konnte zwar verkauft werden, aber Gisela erhielt von dem Verkaufspreis nur 50 Prozent.

Während dieser Zeit fühlte sich Gisela wirklich arm. Die finanzielle Unterstützung durch den ehemaligen Ehemann war gering. Er zahlte lediglich 120 DM für den Sohn. Unterstützung erlebte sie aber durch ihre Familie. Da kaufte ihre Schwester schon mal die heiß ersehnten Markenschuhe für den Sohn.

Gisela wurde rasch wieder berufstätig, zunächst stundenweise, während ihr Sohn in den Kindergarten ging. Je älter ihr Sohn wurde, desto mehr Stunden konnte sie ihrer Erwerbstätigkeit nachgehen. Sie war in der Verwaltung des städtischen Theaters tätig, im Büro eines Altenheimes und später bei der Jugendhilfe. Sie wurde fair entlohnt und hat den Großteil ihrer Berufstätigkeit im Vollerwerb verbracht. Trotzdem. Gisela erhält eine geringe Altersrente, weil sie eine verhängnisvolle Entscheidung in ihrem jungen Leben traf.

Heute fühlt sich Gisela trotz der geringen Rente nicht arm. Sie hat ihr Leben lang keine Sozialleistungen in Anspruch genommen. Sie möchte es aus eigener Kraft schaffen. Deswegen ist sie auch als Rentnerin weiterhin arbeiten gegangen. Sie hat Erdbeeren verkauft, war im Freilichtmuseum und im Kieler Schloss beschäftigt. Aber irgendwann ging das nicht mehr.

Seit dem letzten Jahr erhält Gisela zu ihrer Rente Wohngeld. Doch es war schwer für sie, diesen Weg zu gehen. Ihre Hemmungen, Unterstützung anzunehmen, waren groß. Und als ihre geliebte Katze eingeschläfert werden musste und eine Tierarztrechnung von ein paar Hundert Euro eintrudelte, nahm sie Unterstützung der Howe-Fiedler-Stiftung an, die einen Großteil der Rechnung zahlte. Dafür ist die Rentnerin bis heute sehr dankbar.

Ihre Familie gibt ihr bis heute Halt. So unterstützen Giselas Schwestern sie weiterhin, zum Beispiel mit Kleidung. Auch in den Urlaub haben ihre Schwestern sie schon mitgenommen, erzählt Gisela mit leuchtenden Augen.

Erst als sie in Rente ging, zog Gisela nach Kiel. Ihr Sohn lebt hier. Mutter und Sohn unterstützen sich gegenseitig, sagt sie. Aber die Anfangszeit war durch fehlende soziale Kontakte schwer. Mittlerweile ist sie gut in Kiel angekommen. Sie hat Freundschaften geschlossen und ist viel unterwegs. Die aktive Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ist ihr sehr wichtig. Das gibt ihr Kraft und Freude. So nutzt sie gern die verschiedenen  kostenlosen Angebote in Kiel. Sie nimmt am Projekt KulturistenHOCH2 teil und genießt die gemeinsamen Kulturveranstaltungen mit den jungen Menschen. Sie hat den Senior*innenpass. Zudem engagiert sie sich im Verein Groschendreher - Kieler Bündnis gegen Altersarmut e.V. Es ist ihr ein Anliegen, auch junge Menschen auf das Thema Altersarmut aufmerksam zu machen und sie aufzuklären.

Gisela ist politisch und am Weltgeschehen interessiert. Lange hatte sie ein Abo der Kieler Nachrichten. Das musste sie aus finanziellen Gründen kündigen. Aber samstags gönnt sie sich weiterhin ein Exemplar. Und manchmal hat sie Glück und findet in der Papiertonne eine aktuelle KN, die sauber und gut erhalten ist.

So meistert Gisela ihr Leben mit Bescheidenheit und Dankbarkeit. Es gibt auch schwere Zeiten, in denen es ihr nicht gut geht. Aber da kämpft sie sich selbst wieder raus. Sie ist stark und möchte alles aus eigener Kraft schaffen. Und eines ist ihr am Ende wichtig zu sagen: „Ich fühle mich nicht arm. Nach der Scheidung, da habe ich mich arm gefühlt“.

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